Altenburger Land erfüllt Kriterien für ein Atommüll-Endlager nicht
Altenburg. Ende des Jahres geht in Deutschland das letzte Kernkraftwerk vom Netz. Doch wohin mit dem in mehreren Jahrzehnten angefallenen Atommüll? Deutschland braucht ein Atommüllendlager. Dafür in Frage kommen viele Regionen in der Bundesrepu-blik. Auf der Suche nach einem geeigneten Standort wird auch das Altenburger Land unter die Lupe genommen. Die Amtsblattredaktion sprach dazu mit der Leiterin des Fachdienstes Natur- und Umweltschutz Birgit Seiler.
Frau Seiler, lassen Sie uns bitte zuerst die Frage klären: Was genau versteht man unter Atommüll?
B. Seiler: Wir sprechen hier vorrangig von verbrauchten, abgebrannten Brennstäben aus Atomkraftwerken, die eine hochradioaktive Strahlung haben. Die Menge dieser Abfälle liegt in der Bundesrepublik bei etwa 27.500 Kubikmetern. Das ist aber noch nicht alles. Hinzu kommen weitere rund 620.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle, die aus Industrie, Medizin und Forschung sowie aus dem Rückbau der Atomkraftwerke stammen.
Was sind die Gründe dafür, dass zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland ein Atommüllendlager gesucht wird?
Die Energiegewinnung mittels Kernkraftwerken zu beenden, sprich den Atomausstieg, hat die Bundesrepublik im Jahre 2011 beschlossen. Von den ursprünglich 23 deutschen Atomkraftwerken ging in den vergangenen Jahren eins nach dem anderen von Netz. Drei sind momentan noch in Betrieb. Bis Dezember 2022 muss das letzte Atomkraftwerk gemäß der geltenden gesetzlichen Regelung stillgelegt sein. Für die über Jahrzehnte angefallenen hochradioaktiven Abfälle braucht es eine sichere Endlagerstätte. Ein entsprechendes Standortauswahlgesetz zum Finden dieses Standortes hatte der Bund bereits 2013 auf den Weg gebracht und 2017 dann überarbeitet – es regelt die Zuständigkeiten und die Durchführung des Verfahrens. 2014 wurde eine Endlagerkommission beim Bund eingerichtet. Der weitere Plan: Bis 2031 soll der Endlagerstandort gefunden sein und ab 2050 könnte dann dort die Einlagerung beginnen.
Wie haben andere europäische Staaten ihre Atommüllendlagerung geregelt?
Es gibt derzeit in ganz Europa noch kein einziges Endlager für hochradioaktive Abfälle. In Deutschland werden solche Abfälle derzeit an 16 Standorten zwischengelagert. Eines der bekanntesten Zwischenlager ist sicherlich Gorleben.
Welche Kriterien muss ein potenzieller Endlager-Standort erfüllen?
Ein Atommüllendlager muss 1 Million Jahre überdauern. Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass es so lange braucht, bis von den Stoffen keine hochradioaktive Strahlung mehr ausgeht. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung hat umfangreiche geowissenschaftliche Kriterien für eine Endlagerung tief in der Erde erarbeitet. Neben vielen Ausschlusskriterien wurde zum Beispiel das Vorhandensein von Salz, Ton und kristallinem Wirtsgestein, etwa Granit, für endlagergeeignet definiert. Speziell das Wirtsgestein muss so dicht sein, dass keine radioaktive Strahlung an die Erdoberfläche gelangt.
Käme das Altenburger Land für ein Endlager in Frage?
Unser Landkreis liegt in einem von 90 Teilgebieten, die die Bundesgesellschaft für Endlagerung aufgrund der Gesteinsbeschaffenheit als geeignet erklärt hat. Aber: Dieses Teilgebiet ist riesig groß, es erstreckt sich von Ostthüringen bis nach Bayern. Als einstige Bergbauregion haben wird durch die vielen stattgefundenen Erkundungsbohrungen eine hervorragende Datenlage hinsichtlich der Beschaffenheit des Erdreiches hier im Landkreis. Diese Bohrungsdaten liegen dem geologischen Dienst beim Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz vor. Der geologische Landesdienst ist unsere Thüringer Fachbehörde, die sich intensiv und kritisch mit den veröffentlichten Unterlagen zur Standortsuche auseinandersetzte und das Ergebnis in einem ausführlichen validierten Bericht im Juni vergangenen Jahres an die Bundesgesellschaft für Endlagerung sandte. Auch wir als Umweltverwaltung haben diese 146-seitige Fachstellungnahme sehr intensiv studiert. Im Ergebnis ist festzustellen, dass das für die Endlagerung definierte kristalline Wirtsgestein, unter anderem Granitgesteine, in der erforderlichen Ausprägung in unserem Landkreis nicht vorkommt. Typisch für unsere Region sind Gesteine wie Schiefer und Sandsteine. Hinzu kommt, dass eine Reihe von Ausschlusskriterien gegen einen Endlagerstandort im Altenburger Land sprechen - seismische Aktivitäten zum Beispiel. Der Bundesgesellschaft für Endlagerung liegt nunmehr der Zwischenbericht des Thüringer Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz vor. Aus der Fachstellungnahme unseres Thüringer Landesamtes ist zu entnehmen, dass die nochmalige Anwendung der Ausschlusskriterien und der Mindestanforderungen dazu führen werden, dass große Bereiche Thüringens und so auch unser Landkreis im Standortauswahlverfahren für ein Atommüllendlager nicht weiter berücksichtigt werden können.
Mitte Januar hat sich Landrat Uwe Melzer hierzu schriftlich auch noch einmal an die Bundesgesellschaft für Endlagerung gewandt und eine aktuelle Bewertung der Sachlage erbeten. Mit Schreiben vom 17. Januar 2022 antwortete die Bundesgesellschaft und erläuterte ausführlich die weitere Vorgehensweise bei der Standortsuche. Unter anderem heißt es darin: „Wird festgestellt, dass Ausschlusskriterien erfüllt sind oder Mindestanforderungen nicht erfüllt sind, scheiden Gebiete aus dem Verfahren aus“.
Wie transparent schätzen Sie das bisherige Standortauswahlverfahren ein und war unser Landkreis zu jedem Zeitpunkt eingebunden?
Das Verfahren wird seitens des Bundes wirklich sehr transparent geführt. Mehrfach gab es Fachkonferenzen, an denen sich jeder Bürger beteiligen konnte und unsere Umweltverwaltung war immer dabei.
Derzeit kann sich jeder Bürger per E-Mail beteiligung@bfe.bund.de anmelden, um an den öffentlichen Sitzungen der Beratungs- und Planungsgruppe teilzunehmen. Die online-Konferenzen sind immer abends ab 19 Uhr, um möglichst vielen Bürgern die Teilnahme zu ermöglichen. Ich wünsche dem Verfahren, dass es ausschließlich wissenschaftsbasierende Kriterien bleiben, die über den Endlagerstandort entscheiden.