Wiedereinweihung des Großbildes "Die friedliche Nutzung der Kernenergie" in Löbichau

12. September 2009

"Der Störfaktor Kunst, mitten in der Landschaft ...

Löbichau. Das wohl größte Standbild Deutschlands in freier Landschaft ist installiert. Damit wird das Gesamtkunstwerk "Resurrektion Aurora" um ein weiteres Element erweitert. Am 05. September 2009 erfolgte in unmittelbarer Nähe der Halde Beerwalde die Einweihung des Großbildes "Die friedliche Nutzung der Kernenergie", von Werner Petzold. Das Bild war über Jahrzehnte an einem Gebäudegiebel am Wismut Standort Paitzdorf montiert und ist ein echtes Relikt dieser Epoche.

Vor etwa zwei Jahren kam die Idee auf, dieses im Depot eingelagerte Bild in "Resurrektion Aurora" einzufügen, gut passend ins Spektrum der bergbaulichen Vergangenheit über die Gegenwart bis hin zu zukunftsweisenden Visionen - umgesetzt in beeindruckenden Kunstwerken und großräumiger Landschaftsgestaltung. Mit 12 Metern Breite und fast 16 Metern Höhe ist dies das vermutlich größte freistehende Bild überhaupt. Der Standort auf einer Geländeanhebung nahe der Autobahn A4, Anschlussstelle Ronneburg unterstreicht die Dimension und verstärkt dessen Wirkung. Spektakulär ist das Bild vor allem in seiner inhaltlichen Aussage gemessen an der geschichtlichen Realität und in Bezug auf heutige Sichtweisen. Ausgerechnet 20 Jahre nach der friedlichen Wende im Osten Deutschlands wird ein typisches Beispiel sozialistisch geprägter DDR-Kunst aufgestellt. Der Spannungsbogen ist groß, Differenzen sind vorprogrammiert, Erklärungs- und Diskussionsbedarf sind reichlich gegeben. Landrat Sieghardt Rydzewski umriss seine Sichtweise bei der Einweihung u. a. mit folgenden Worten: "Für mich ist dieses Bild Denkmal, Mahnmal und Kunstwerk zugleich". Amtsblatt-Redakteurin Silke Manger sprach dazu mit Dr. Kristin Jahn, die das Projekt beratend und mit kritischen Texten begleitet hat.

Frau Dr. Jahn, Sie waren an der Umsetzung dieses Projektes beteiligt, warum wird dieses Bild in das Gesamtkunstwerk in Resurrektion Aurora integriert und wie passt es ins Konzept?
Das Großbild von Werner Petzold zeugt von jener Epoche, mit der sich die übrigen Kunstwerke in Resurrektion Aurora auseinandersetzen. Es füllt eine Lücke in der Sammlung. Wenn man verstehen will, was die Künstler mit ihren bis dato installierten Skulpturen und Kunstwerken kritisieren: die rücksichtlose Ausnutzung von Mensch und Natur; die Lügen und die Überheblichkeit eines Staates - dann bietet Petzolds Großbild dazu die Möglichkeit. Denn es ist das, worauf alle übrigen Kunstwerke kritisch antworten.
Es wird ein Dialog in Gang gesetzt, ein Dialog der Kunstwerke, ein Dialog, in dem genau das diskutiert wird, was jeder gern vergessen möchte: Mit welchen Lügen haben die Menschen jahrelang gelebt und gearbeitet? Mit welcher Arroganz haben Menschen gelebt, dass sie dachten, der Fortschritt und das Wohl der Menschheit liege in ihren Händen? Mit welchem Recht hat ein Staat Raubbau an der Natur betrieben? Mit welchem Recht hat ein Staat seine Bürger belogen - noch im Titel des Wandbildes? All diese Fragen wirft das Bild auf - gerade weil es nicht der Wirklichkeit entspricht - von der es erzählt.

Das Großbild passt insofern ins Konzept der Resurrektion Aurora, der Denklandschaft im Altenburger Land - dem Ort, wo jeder, der es will, innehalten kann und sich fragen mag: was ist früher hier geschehen und wie konnte das passieren? Der Störfaktor Kunst, mitten in der Landschaft - das ist für mich der Reiz. Keiner wird daran vorbeikommen, sich zu fragen, welche Geschichte hinter ihm und welche Zukunft vor ihm liegt. Dafür bietet Resurrektion Aurora genügend Anlässe. Es ist ein Ort der Geschichts- aufarbeitung, ein Ort, über den nicht einfach Gras wächst, ein Ort, der mehr sein will, als nur schöne Landschaft.

Wie denken Sie, wird dieses Bild auf die Menschen wirken?
Als ich vor fast drei Jahren von der Idee erfuhr, war ich für den ersten Moment schockiert. Ich glaube, das wird auch anderen Menschen so gehen; weil es ganz natürlich ist, dass man das Vergangene - noch dazu, wenn es unerfreulich war - vergisst und wegsperrt. Ich fragte mich, wie kann man ein solches Auftragskunstwerk - ein Dokument der DDR-Zeit - der Öffentlichkeit zumuten? Das Bild erzählt doch von einer Wirklichkeit, die es so nie gegeben hat - all das ist mir damals durch den Kopf gegangen. Dennoch gibt es einen Grund, ein solches Kunstwerk der Öffentlichkeit wieder zuzuführen: Die Aufarbeitung der Vergangenheit.

Das Großbild ist für mich zu einem dringenden Anlass geworden, all die Fragen wieder hervorzuholen, die um die Themen: Raubbau an der Natur und Uranförderung zugunsten des Kalten Krieges kreisen. Kritik am Gewesenen - das ist der eine Spannungsbogen des Bildes - und zugleich steckt in ihm ein Anlass auch kritisch auf die Gegenwart zu blicken. Denn es symbolisiert die Überheblichkeit des Menschen, der alles aus eigener Kraft schafft, keinen Himmel mehr über sich braucht - all das entdecke ich auch in unserer Gesellschaft; die angebliche Selbstverständlichkeit der Arbeit für alle Schichten, die dieses Bild zeigt - all das ist auch ein Wunschtraum heutiger Politiker. Es ist fatal, wie sehr dieses Bild die Lügen damaliger und gegenwärtiger Gesellschaften spiegelt.

Kann man ein solches Werk auch Fehlinterpretieren?
Fehlinterpretieren - das Wort und die Sache gibt es für mich nicht. Jede Interpretation hat ihr Recht. Sichtweisen unterliegen keinem Richtig-oder-Falsch-System. Jeder Mensch betrachtet doch ein Bild mit seinen Augen, mit seinen Erfahrungen, mit seinen Aversionen und Sympathien. Ein anderes Moment ist die Intention, mit der man dieses Bild heute aufstellt - eben die, ein Stück Bildungspolitik zu betreiben, zur kritischen Reflexion der Geschichte anzuregen, die hier stattgefunden hat. Damit ist keine Verherrlichung der Vergangenheit gemeint. Gerade 20 Jahre nach der Wende sollten solche Chancen zur kritischen Rückschau nicht verloren gehen. Wer sich selbst mit diesem Bild verherrlichen will oder das System, in dem dieses Bild entstanden ist, der spielt meines Erachtens nur noch einmal nach, was vor über 30 Jahren bei der Einweihung des Bildes schon einmal stattgefunden hat. Der bezieht keine Stellung zu dem Bild, interpretiert nicht, sondern stellt sich hinter das Bild und vergibt genau jene Chance der Geschichtsaufarbeitung.

Es gibt Leute, die meinen, dieses Bild sollte man besser im Archiv oder Keller verschwinden lassen. Warum verbannt man ein solches Kunstwerk nicht für immer?
Wenn man leugnet, mit welchen Lügen wir leben mussten, dann mag man dieses Bild verbannen und sich eine schöne, neue Welt mit unverfänglicher Kunst zusammenstellen. Wenn man sich dem Schmerz der Geschichtsaufarbeitung nicht aussetzen will, dann ist es leichter, diese Kunst ins Archiv zu stellen. Die Sache ist nur, dass wir dann auch immer einen Teil unserer Geschichte, der Biographien von Menschen in den Keller des Vergessens verbannen, dass wir dann nichts aus der Geschichte lernen wollen, sondern nur noch leben von Tag zu Tag, so als hätte es das alles nie gegeben - auch die Fehler nicht.

Ich glaube, es gehört zur Menschwerdung, zum Erwachsenwerden eines jeden Einzelnen wie der Gesellschaft dazu, dass man sich auch den Epochen stellt, die keineswegs glücklich und friedlich waren. Gerade diese gemalten Träume einer Gesellschaft, die an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert ist, die Unrecht walten ließ, gerade diese geplatzten Träume - wie wir heute wissen - sind und bleiben ein Teil unserer Geschichte. Ich denke, wenn man den Mut hat zu sagen: ja, auch das gehört zu uns, die Fragmente, die Ruinen, die Fehler, das Scheitern, die Lügen, dann wird man achtsamer, umsichtiger, vielleicht auch menschlicher in Zukunft handeln. Das wäre meine Hoffnung, dass dieses Kunstwerk auf dem Gelände der Resurrektion Aurora einen neuen Denkhorizont erhält und neue Wege eröffnet, die mit Ehrlichkeit und Selbstkritik gepflastert sind, die menschlicher sind als die Zeit, in der das Bild entstanden ist.

Unter den Gästen der Einweihung waren neben zahlreichen Politikern, Vertretern der heutigen Wismut GmbH, ehemaligen Wismut-Mitarbeiter und viele interessierte Gäste. Einige von ihnen waren auch zu einem kurzem Gespräch bereit, bei dem die nachfolgenden Statements entstanden.

Auch Mike Losch, Personaltrainer aus Crimmitschau: "In den 70/80er Jahren bin ich in Berlin aufgewachsen. Seit 1996 lebe und arbeite ich in Crimmitschau und habe seit dieser Zeit viel von der Wismut und dem Uranabbau gehört. Das sie auch Kunstwerke in Auftrag gab, war mir völlig neu.

Ich finde es gut, dass man sich in Löbichau anhand dieses Riesenbildes mit der Geschichte der Region kontrovers auseinandersetzt. Mir und meiner Freundin gefällt es sehr, dass wir an einem Radweg uns über diese Dinge informieren können und wir nicht in ein Museum gehen müssen."

Familie Anait und Johannes Sarafjan, beide berufstätig aus Jena: "Mich und meine Frau hat die Aufstellung dieses Kunstwerkes sehr bewegt. Ich selbst habe 13 Jahre Dienst in der Sowjetarmee geleistet und immer in der Nähe von Löbichau gewohnt. Daher kenne ich die Arbeit der ehemaligen Wismut-Kumpels sehr gut. Jede Zeit hat Licht- und Schattenseiten, und man darf die Vergangenheit der Wismut nicht ungeschehen machen. Durch den harten Job, haben viele gesundheitliche Schäden davon getragen. Diese Geschichte darf einfach nicht vergessen werden. Für uns ist dieses Kunstwerk von Werner Petzold ein Art Denkmal, mit dem man vor allem die kommende Generation über die Arbeit im Schacht informieren kann und muss".

Rudolf Volkmann aus Crimmitschau, war fast ein halbes Leben in der Wismut tätig und kann die Aufstellung dieses Kunstwerkes sehr gut verstehen: "Als ehemaliger Textilmaschinenschlosser habe ich 34 Jahre in der Wismut und acht Jahre im Schacht Drosen gearbeitet. Damals bin ich zweimal am Tag beim Ein- und Ausfahren an diesem Kunstwerk vorbeigekommen. Von der erneuten Einweihung in Löbichau war ich sehr ergriffen und betrachte das Bild heute teilweise aus einer ganz anderen Perspektive. So sind auf dem Kunstwerk entschlossene Bergleute zu sehen, die an die friedliche Nutzung der Atomenergie glauben, aber wenig über die tatsächliche Nutzung informiert wurden. Zwar spiegelt das jetzt in Löbichau stehende Kunstwerk nicht zu 100 Prozent die Wirklichkeit der Arbeit im Schacht wieder, dennoch ist es eine gute und wichtige Erinnerung und Mahnung. Angefangen von den Materialschwierigkeiten zu DDR-Zeiten bis hin zum Tod von vielen Menschen. Ich finde es gut, dass es jetzt in Löbichau steht und so erneut zum Nachdenken anregen kann".