Therapeutin, Zweifachmama, Partnerin und seit 20 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr
Am 8. März ist Internationaler Frauentag/Anne Schaller ist Vorbild und Beleg dafür, dass Frauen alles schaffen können
Überall in Deutschland engagieren sich heute Millionen Frauen in den unterschiedlichsten Bereichen ehrenamtlich für die Allgemeinheit – oftmals zusätzlich zu ihren beruflichen und familiären Aufgaben. Oder sie sind bereits im Ruhestand. Dass sich die Frauen dabei längst nicht mehr auf ursprüngliche Rollenbilder festlegen lassen, ist ein Gewinn für die gesamte Zivilgesellschaft. Viele Bereiche, die einst reine Männerdomäne waren, haben die Frauen längst erobert: bei der Polizei, in der Justiz, in der Wirtschaft, in vielen öffentlichen Ämtern. Und so sind auch zehntausende Frauen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren. Eine von ihnen ist Anne Schaller aus Ehrenhain.
Anne Schaller bekam das „Feuerwehr-Gen“ praktisch in die Wiege gelegt. Opa, Vater und Bruder waren Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr; der Papa ist inzwischen Chef des örtlichen Feuerwehrvereines. Schnell bekam Anne als Kind leuchtende Augen, wenn die Drei von spannenden Einsätzen erzählten, bei denen sie Menschen helfen und retten, dabei oftmals Schlimmeres verhindern konnten. Mit 14 Jahren wurde Anne Schaller schließlich Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Ehrenhain, durchlief die Grundausbildung, hatte bereits mit Sechzehn die Qualifikation als Truppfrau in der Tasche und war damit fester Bestandteil der aktiven Einsatzabteilung. Mit Zwanzig avancierte sie zur Schriftführerin. „Ich wollte etwas Sinnvolles in meiner Freizeit machen“, erklärt Anne ihre Beweggründe. Noch gut kann sich die heute 34-Jährige an ihren ersten Einsatz erinnern: „Wir mussten nach einem Blitzeinschlag ausrücken, da war ich schon ziemlich aufgeregt“. So ganz ohne Aufregung gehe es auch heute nicht, lässt Anne wissen, doch haben umfangreiches Fachwissen, sehr viel Erfahrung und Selbstvertrauen längst die Oberhand gewonnen.
Ein Gewinn ist Anne Schaller für die Ehrenhainer Wehr in jedem Fall von Beginn an, noch mehr aber seit 2011, als sie zur Wehrleiterin gewählt wurde und seitdem die Hauptverantwortung für das Tun der Ehrenamtler trägt – für 18 Männer und eine weitere Frau. Was die Geschlechterverteilung in ihrer Wehr anbetrifft sagt Anne Schaller. „Ich habe als Frau in unserer Wehr unter all den Männern niemals schlechte Erfahrungen gemacht, dass ich als Kameradin nicht geschätzt werde oder meine Leistungen und mein Wissen in Frage gestellt werden. Im Gegenteil. Ich weiß aber sehr gut, dass dies heute noch längst nicht in allen Bereichen unserer Gesellschaft so ist.“
Feuerwehrfachlich steht die junge Frau ihren männlichen Kollegen in keiner Weise nach. Sie muss selbst ein bisschen lächeln, wenn sie aufzählt, was sie alles ist: Wehrleiterin, Truppführerin, Gruppenführerin, Zugführerin, Maschinistin, Atemschutzgeräteträgerin, Ausbilderin. Und schon wieder hat sie der Ehrgeiz gepackt. Ein LKW-Führerschein muss her, damit sie demnächst auch das große Löschfahrzeug fahren darf, „denn das beherrschen bei uns nur zwei Kameraden“.
Als Feuerwehrleiterin ist Anne Schaller im Altenburger Land eine kleine „Rarität“, denn da ist sie eine von nur zwei Frauen. Trotzdem, sagt sie, werden immer mehr Frauen Mitglied der Feuerwehr, längst sei dies keine reine Männerdomäne mehr. „Heutzutage sind Frauen und Mädchen in den Einsatzabteilungen ebenso fest eingebunden wie in den Alters- und Ehrenabteilungen und in den Jugendfeuerwehren. Außerdem finde ich das Arbeitsklima bei einem gemischten Geschlechterverhältnis besser“.
Gemeinsam mit den Gruppenführern organisiert und leitet Anne Schaller vierzehntägig die Ausbildung und die Übungseinheiten in Ehrenhain. Und als ob dies noch nicht genug wäre, fungiert sie bei der Lehndorfer Jugendfeuerwehr jeden Mittwoch auch noch als Ausbilderin. Zudem hält sie den Kontakt zur Gemeindeverwaltung und erledigt all die organisatorischen Aufgaben, die wehrintern anfallen. „Ich kann mir ein Leben ohne Feuerwehr nicht mehr vorstellen“, sagt Anne. „Ich mag es zu helfen und ich mag die Anerkennung der Bevölkerung.“
Anerkennend ob der niedlichen Idee und auch ein bisschen schmunzelnd nahm Anne vor neun Wochen das Geschenk ihrer Kameraden zur Geburt von Töchterchen Paula entgegen: Ein Strampelanzug im Feuerwehrdesign. Sohn Max, gerade 6, ist natürlich auch schon ein kleiner Feuerwehrmann. Und Annes Partner Tom? Ist auch bei der Feuerwehr.
Nicht nur ehrenamtlich ist Anne Schaller engagiert, auch beruflich sitzt sie fest im Sattel. Als ausgebildete Ergotherapeutin ist sie im Förderbereich der Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe in Windischleuba tätig, betreut in 35 Wochenstunden eine Gruppe mit sechs Mehrfachschwerstbehinderten, begleitet sie unter anderem mit arbeitstherapeutischen Angeboten und ergotherapeutischen Fördereinheiten durch den Alltag. „Diese Arbeit macht mir viel Freude, ist oft aber auch sehr anstrengend.“
Einen Vollzeitjob, einen Partner, zwei Kinder, ein verantwortungsvolles und zeitintensives Ehrenamt – wie bringt man das als Frau eigentlich alles unter einen Hut? Anne Schaller lacht und zuckt mit den Schultern „Das geht. Ist alles eine Frage der Organisation. Und mein Partner unterstützt mich. Die Aufgaben im Haushalt haben wir gerecht aufgeteilt.“ Noch ist die Feuerwehrchefin nach der Geburt ihrer Tochter in der Elternzeit. Es kribbelt, wenn der Pieper geht, gesteht Anne, doch wird sie sich noch ein paar Wochen gedulden, ehe sie wieder aktiv ins Geschehen eingreift.
Anne Schaller ist Vorbild und Beleg dafür, dass Frauen alles schaffen können – egal ob als Mutter und Ehefrau, als Vereinsvorsitzende, als Chefin eines Unternehmens oder als Leiterin einer Freiwilligen Feuerwehr. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es vor allem im Arbeitsleben noch viel Ungerechtigkeit und Benachteiligung gibt. Besonders auf dem Dienstleistungssektor, aber auch in vielen anderen Jobs, sind Niedriglöhne immer noch an der Tagesordnung. Das muss immer wieder thematisiert werden. Politik und Unternehmen sind weiterhin gefordert, Bedingungen zu schaffen, die Frauen bessere Perspektiven und mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft bieten“, so Carina Michalsky, Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt Altenburger Land.