"In die Grundrechte einzugreifen war meine schwerste Entscheidung"
Altenburg. Herr Melzer Hand aufs Herz: Wenn Sie vorher gewusst hätten, was alles auf Sie zukommt, hätten Sie Landrat des Altenburger Landes werden wollen?
Uwe Melzer: Auf jeden Fall. Ich bin seit 1992 in der öffentlichen Verwaltung, seit 2004 in der Kommunalpolitik tätig. Daher weiß ich, dass nicht immer alles glattgeht und es immer Schwierigkeiten zu überwinden gibt. Ich gebe zu: Nicht jede Herausforderung muss man als Landrat unbedingt haben, es macht die Arbeit aber auch spannend. Ich gehe auch nach drei Jahren jeden Tag gern ins Landratsamt.
Nicht jede Herausforderung haben zu müssen, damit meinen Sie die Corona-Pandemie?
Schon – die Pandemie begann bei uns im Landkreis im März 2020 relativ sacht, im Sommer 2020 hatten wir kaum Sorgen mit hohen Infektionsraten, im Winter 20/21 dann umso mehr. Das hat meine Verwaltung und mich massiv gefordert, arbeitstechnisch, aber auch physisch und psychisch. Wir haben bewiesen, dass wir als Kreisverwaltung solch eine enorme Aufgabe stemmen können und wir haben immer Lösungen gefunden, vor allem die wichtige Kontaktpersonennachverfolgung zu meistern – übrigens oft als Vorreiter im Freistaat Thüringen, wenn ich da an die Einführung verschiedener Softwarelösungen fürs Gesundheitsamt denke. Das macht mich auch ein bisschen stolz. Dankbar bin ich, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so hervorragend mitgezogen haben. Viele sind sowohl körperlich als auch emotional über Monate hinweg weit über ihre Grenzen gegangen. Das hat mich sehr berührt.
Was betrachten Sie nach der Hälfte Ihrer Amtszeit als konkret abrechenbar?
Wir haben es geschafft, mit zwei Telekommunikationsunternehmen die Verträge abzuschließen und den Breitbandausbau endlich auf den Weg zu bringen. Noch in diesem Jahr sollen im westlichen Teil des Altenburger Landes für die Bürger erste sichtbare Arbeiten beginnen und sobald ein Abschnitt fertig ist, wird dieser auch schnellstmöglich freigegeben. Letztlich werden nun 62 Millionen Euro investiert, um unterversorgte und förderfähige Adressen, bei denen weniger als 30 Megabit pro Sekunde anliegen, auszubauen.
Beim Thema Strukturstärkung haben viele Gespräche auf Bundes- und Landesebene zu einem Ergebnis geführt, genauer gesagt zu 90 Millionen Euro für unseren Kreis. Schon vor einigen Jahren wurde begonnen, unseren Landkreis hier ins rechte Licht zu rücken und zu sagen: Wenn es um den bundesweiten Kohleausstieg geht, gehört das Altenburger Land als Teil des Mitteldeutschen Reviers unbedingt dazu. 90 Millionen Euro können jetzt in den kommenden zwei Jahrzehnten in Projekte des Strukturwandels investiert werden. Unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland war hierbei absolut förderlich.
Zwei unserer kulturellen Leuchttürme, das Lindenau-Museum und das Landestheater, befinden sich nun mitten in der Sanierung. Es ist uns gelungen, zu den bereits vor meiner Amtszeit generierten 10 Millionen Euro Investitionsmittel fürs Museum zusätzliche Mittel vom Bund und vom Freistaat Thüringen zu bekommen, jetzt insgesamt 48 Millionen Euro. Hinzu kommen bis zum Jahr 2027 noch einmal 14 Millionen Euro Projektmittel vom Bund unter anderem für Digitalisierung und Provinzialforschung. Das ist ein wirklich schöner Erfolg. Stichwort Burg Posterstein: Wir haben erreicht, dass mit Fördermitteln aus dem Dorferneuerungsprogramm, rund 3 Millionen Euro, der Nordflügel der Burg wieder aufgebaut werden kann, 2022 bis 2024 soll das umgesetzt werden.
Im Bereich unserer Schulbauten wurde viel geschafft. Unter anderem haben wir die Grundschule Nobitz neu gebaut, die Rositzer Schulturnhalle saniert, weitere Projekte stehen vorm Beginn, etwa die Sporthalle der Regelschule Treben. Und die Sanierung von Haus 1 des Meuselwitzer Seckendorff-Gymnasiums ist auch geplant.
Neue Wege gehen wir im Tourismus, werden die Destination Altenburger Land eigenständig weiterentwickeln und vermarkten, haben den Freistaat Thüringen davon überzeugt, dass wir das auch alleine können. Ein großes Stück vorangekommen sind wir bei der Digitalisierung der Kreisverwaltung, dabei sind wir in bestimmten Bereichen Vorreiter in Thüringen. Wenn es um konkret Abrechenbares geht, möchte ich meine höchst vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister der Stadt Altenburg nicht unerwähnt lassen. Nur so konnten wir etwa die Gründung einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur nachhaltigen Entwicklung des Schlossberges in Altenburg auf den Weg bringen, um nur ein Beispiel zu nennen.
Welche war die schwierigste Entscheidung, die Sie bisher zu treffen hatten?
Mehrmals wöchentlich hier im Landratsamt im Corona-Krisenstab Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie zu beraten und zu beschließen, die letztlich die Grundrechte der Menschen im Altenburger Land einschränken – zum Beispiel die Ausgangssperre oder die sehr strengen Kontaktbeschränkungen zum Zeitpunkt der sehr hohen Inzidenz – waren für mich die bisher schwierigsten Entscheidungen.
Was steht in den kommenden drei Jahren Ihrer Amtszeit alles auf der Agenda?
Alle die Dinge, die wir jetzt eingeleitet und begonnen haben, gilt es voranzubringen. Was unser Schulnetz betrifft: Ich würde mir wünschen, dass wir eine Entscheidung treffen für einen Grundschulstandort im Bereich der VG Oberes Sprottental, das ist mein Ziel, denn die jetzige Situation dort ist verbesserungswürdig.
Die 90 Millionen Euro, die wir für den Strukturwandel bekommen, gilt es für kluge, nachhaltige Maßnahmen einzusetzen und dabei müssen wir wirklich kreisbezogen denken. Wir brauchen zudem eine zukunftsweisende Entscheidung im Kreistag, in welche Richtung sich der öffentliche Personennahverkehr bei uns im ländlichen Raum entwickeln soll – das wird eine große Herausforderung. Und die Eindämmung der Coronapandemie wird uns wohl auch noch eine ganze Weile beschäftigen.