Im Spannungsfeld aus Gemeinsamkeiten und Unterschieden
Deutsch-Japanischer Erfahrungsaustausch von Fachkräften aus der Jugendarbeit.
Seit über 50 Jahren besteht das Studienprogramm für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe zwischen der Bundesrepublik und Japan, welches kürzlich acht japanische Fachkräfte der Jugendarbeit in den Landkreis führte. Bereits im Juni hatte der Leiter des Fachbereichs Soziales, Jugend und Gesundheit im Landratsamt, Frank Just, die Möglichkeit, am Programm teilzunehmen. Er reiste für einen Studienaufenthalt nach Japan.
In den hochtechnisierten Ländern Japan und Deutschland ähneln sich viele Problemlagen in der Kinder- und Jugendarbeit. „Dazu gehören etwa die Herausforderungen in Folge des medialen Umfelds junger Menschen und Armut in Kindheit und Jugend, welche in diesem Jahr die Themen des Studienprogrammes waren“, zählt Just auf. Parallel dazu unterscheiden sich natürlich die Gesellschaften in ihren Traditionen und Mentalitäten erheblich. Genau von diesem Spannungsfeld aus Gemeinsamkeiten und Unterschieden profitiert das Austauschprogramm.
„Was ich von der Reise mitgebracht habe ist etwa das Konzept ‚Orte des Seins‘, wie ich es nenne“, so der Jugendamtsleiter. Darunter verstehe er niederschwellige Angebote, die in Japan den Heranwachsenden gemacht werden. Anders als bei uns sei es in Japan beispielsweise völlig okay, wenn Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Hilfsangebote aufsuchen und erst mal nur da sind, eine Mahlzeit bekommen aber mit niemandem sprechen. „Das gibt ihnen Raum und Zeit zum Ankommen, ermöglicht ihnen die Entscheidung zu treffen, wann sie welche Unterstützung in Anspruch nehmen wollen und in welcher Form. Das finde ich toll und beispielgebend“, sagt Just.
Derweil interessierten sich die japanischen Gäste im Altenburger Land besonders für die hiesigen Organisationsstrukturen und Einblicke in die Jugendarbeit vor Ort bei Trägern und Einrichtungen. Themen waren zum Beispiel die Arbeit des Jugendberufsservice „Level 3“, die Schulsozialarbeit als Teil des Jugendförderplans und die offene Jugendarbeit am Beispiel des Samba-Ensembles Como Vento. Darüber hinaus wurden die Aufgaben des Fachbereichs Soziales, Jugend und Gesundheit vorgestellt etwa zum Kinderschutz und der Eingliederungshilfe. Die Vorteile einer kontinuierlichen Finanzierung gehörten ebenfalls zu den Erkenntnissen, welche die japanischen Gäste in ihre Heimat mitnahmen, wie die professionelle Untersetzung der Jugendhilfe in Deutschland, da in Japan viele Angebote ehrenamtlich organisiert sind.
„Wir konnten durchaus stolz auf unseren Jugendförderplan verweisen, der für vier Jahre gilt“, erklärt Just. Denn mit dieser langfristigen Finanzierung gehe sowohl ein hohes Maß an Stabilität als auch ein Mehr an Professionalität einher. Genau wie Just bei seinem Japan-Aufenthalt bekamen die Gäste im Altenburger Land die Möglichkeit, mit Mädchen und Jungen zu sprechen. „Das war mir sehr wichtig, auch ich wollte in Japan gern wissen, wie die Arbeit bei den Betroffenen ankommt.“
Dabei habe sich einmal mehr gezeigt, dass sich eben die Probleme der Kinder ähneln, aber auch die staatlichen Antworten darauf. „Die gesetzliche Basis in unseren Ländern ist vergleichbar. Doch der gesellschaftliche Umgang unterscheidet sich teils gravierend“, findet Just. So habe er beobachtet, dass in Japan Vorgaben oft wenig hinterfragt werden, dafür aber der Leistungsdruck schon in der Kindheit enorm ist. „Eine hohe psychische und physische Belastung, resultierend aus dem Erwartungs- und Leistungsdruck sind deshalb in Japan ein häufiger Grund, warum Kinder der Schule fernbleiben“, erläutert Just.
Der Landkreis Altenburger Land profitierte in diesem Jahr erstmals vom deutsch-japanischen Austauschprogramm. Organisiert und finanziert wird dieses vom Bundesfamilienministerium und dessen Japanischen Pendant. Einen Dank an dieser Stelle an alle Mitwirkenden, insbesondere den INNOVA Sozialwerken, für die Gestaltung des Besuchsprogramms.