Eine Wochenstube für die Mausohren
Untere Naturschutzbehörde und Landschaftspflegeverband Altenburger Land setzen außergewöhnliches Artenschutzprojekt um.
Altenburg. Jens Lindner erinnert sich noch sehr genau an die erste Arbeitsberatung im Frühjahr 2018 in der unteren Naturschutzbehörde in Schmölln, während der er unaufhörlich dachte: Wie soll das denn gehen? Zur Debatte stand, eine akut bedrohte Fledermausart zu schützen. Soweit so gut, doch hatten sich die Tiere ein ungewöhnliches Zuhause auf Zeit gesucht.
Das Projekt, das insgesamt rund 150.000 Euro kostete, gelang dank einer hervorragenden Zusammenarbeit zahlreicher Akteure und Unterstützer und so erblicken in diesen Tagen etwa zweihundert kleine Mausohren das Licht der Welt.
Ausgerechnet ein zum Abriss stehendes Gebäude hatten sich die Fledermäuse für ihre Wochenstube auserkoren – den Eugenschacht, ein altes Schachtgebäude im Starkenberger Ortsteil Großröda. Bis 1928 produzierte hier die Brikettfabrik Eugenschacht, bis 1960 war die gleichnamige Tiefbaugrube in Betrieb. Die 20 Meter hohe Ziegelsteinruine am Ortsrand von Großröda zeugt noch heute von dieser Zeit. Nun plante die Eigentümerin des Grundstückes, die AGRÖ Frankenthal GmbH, das alte Schachtgebäude abzureißen, um die ortsansässige Schweinemastanlage zu erweitern. Bei der Prüfung auf gebäudebewohnende Arten dann die Entdeckung: Das nach Bundesartenschutz streng geschützte Große Mausohr zieht hier im Deckenbereich seinen Nachwuchs auf.
Nach ersten Beratungen mit der unteren Naturschutzbehörde der Kreisverwaltung war mit dem Landschaftspflegeverband Altenburger Land schließlich relativ rasch ein Projektträger zur alles andere als einfachen Rettung von Gebäude und Tieren gefunden, der fortan in enger Zusammenarbeit mit Jens Lindner aus dem Landratsamt alle Arbeiten plante und koordinierte. „Es stellte sich heraus, dass die entdeckte Wochenstube eine hohe Wertigkeit für den Erhalt der Population in unserer Region hat. Die Fledermausexperten nehmen an, dass es die einzige Wochenstube des Großen Mausohres im Umkreis von 30 Kilometern ist“, erklärt Tobias Eggert vom Landschaftspflegeverband. „Das Gebäude ist bei den Tieren aufgrund seiner Höhe, ähnlich wie Kirchtürme, sehr beliebt und die Nischen im Mauerwerk sind ideal zum Einfliegen. Ein Gebäudeabriss kam nicht mehr in Frage“, fügt Jens Lindner an.
Aufwendig, aber erfolgreich gestaltete sich die Suche nach entsprechenden Unterstützern, um das ungewöhnliche Naturschutzprojekt zu realisieren. Zum einen gelang es dem Landschaftspflegeverband Altenburger Land Bundes- und Landesfördermittel zu generieren und zum anderen beteiligte sich ein Dutzend regionale Unternehmen und Institutionen an der Finanzierung. Mit den Geldern konnte das alte Schachtgebäude gesichert und auf Vordermann gebracht werden. Eine baufällige Etage wurde abgerissen, das stark beschädigte Dach in einem Teilbereich neu errichtet und einige Zugänge wurden so gesichert, dass diese nur für die Fledermäuse nutzbar sind.
Doch nicht nur die Großen Mausohren können nun ungestört im Eugenschacht ihre Babys zur Welt bringen. Denn Jens Lindner und Tobias Eggert überlegten, wie die Industrieruine darüber hinaus noch für den Natur- und Artenschutz genutzt werden könnte. Sie entschieden sich dafür, auch verschiedenen heimischen Vögeln hier einen Brutplatz anzubieten. Seit Ende Februar wurden 180 Nistkästen u.a. für Dohlen, Mehlschwalben, Mauersegler und Rauchschwalben an die Fassade des Schachtgebäudes angebracht. „Die Vögel haben das dankbar angenommen, ein Großteil der Nistkästen ist belegt“, freut sich Lindner.
Rund 200 Mausohren, von denen jedes ein Jungtier zur Welt bringt, hängen nun kopfüber in freudiger Erwartung im Eugenschacht ab. Das ergab vor wenigen Tagen die Zählung eines Fledermausexperten. Noch größere Kolonien können 2.000 Tiere und mehr umfassen. „Wir waren unheimlich froh, als die Mausohren nach der Gebäudesanierung wieder eingezogen sind. Das ist nicht selbstverständlich. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die die Tiere vergrämen können. Nun lassen wir regelmäßig Kontrollen durchführen, um die Entwicklung des Bestandes zu beobachten“, so Tobias Eggert.
Der Aufenthalt der Fledermäuse im Eugenschacht ist saisonal begrenzt. Im August etwa werden die Weibchen mit ihrem Nachwuchs die Wochenstube verlassen. Und im nächsten Frühjahr werden sie wiederkommen – zum Trapezakt nach Großröda.
Sponsoren
- AGRÖ Frankenthal GmbH Döbeln
- Firmengruppe HEIM Nobitz
- Stadt Schmölln
- Stiftung der Sparkasse Altenburger Land
- Firmengruppe GEON Holding GmbH, geoinform Gera
- Planungsbüro GETI Altenburg
- Agrar GMBH Mockzig