Corona: Zwölf Monate im Ausnahmezustand
Altenburg. Seit nunmehr einem Jahr bestimmt die Corona-Pandemie das Geschehen im Altenburger Land. Am 12. März des vergangenen Jahres wurden die ersten beiden Infektionsfälle bekannt.
Bis Ende Juli 2020 stieg die Zahl der Infizierten auf 79. Es folgten 17 Sommertage, in denen es gar keine Neuinfektionen gab. Mit Beginn der zweiten Infektionswelle im Herbst änderte sich das. Die 7-Tage-Inzidenz erreichte im Dezember und Januar höchst kritische Werte weit über der Marke 500. „Seitdem haben mehr als 200 mit dem Virus infizierte Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landkreises ihr Leben verloren. Insgesamt infizierten sich bisher fast 4900 Menschen, viele davon so schwer, dass sie im Krankenhaus und oft wochenlang auf der Intensivstation behandelt werden mussten“, zeigt sich Landrat Uwe Melzer traurig und betroffen und fügt an: „Mein tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen der Verstorbenen.“
Landrat dankt Bürgerinnen und Bürgern
Uwe Melzer weiter: „Dass wir jetzt auf einem Weg der Besserung sind, ist in erster Linie der Verdienst der Bürgerinnen und Bürger, denn der überwiegende Teil der Menschen im Altenburger Land hat sich an die strengen Regeln zur Eindämmung der Pandemie gehalten. Die Verordnungen des Freistaates Thüringen und die Allgemeinverfügungen des Landkreises führen seit nunmehr einem Jahr zu erheblichen Einschränkungen in unserem persönlichen Leben: Abstand halten, kaum Kontakte selbst zu den Liebsten, Kinder ohne Klassenkameraden und Spielfreunde, Kurzarbeit, Kunst und Kultur fast null. Besonders schlimm: Finanzielle Verluste, wirtschaftliche Schieflagen und Existenzängste bei all jenen, die über weite Strecken ihren Beruf nicht ausüben konnten und ausüben können. Wie groß der ökonomische Schaden am Ende für den Einzelnen und für unseren Landkreis sein wird, lässt sich im Moment schwer abschätzen. Die dringend benötigten, von der Bundesregierung zugesagten Corona-Hilfen müssen viel schneller kommen. Dass es mit der Auszahlung der Gelder noch immer schleppend vorangeht, dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Ich danke allen, die sich in den zurückliegenden Monaten und aktuell in die Bewältigung dieser noch nie dagewesenen Pandemie im Altenburger Land eingebracht haben und weiter einbringen: den Bürgerinnen und Bürgern, den Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften, den Eltern im Homeoffice und beim Homeschooling, den Unternehmerinnen und Unternehmern, meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kreisverwaltung und besonders den Kolleginnen und Kollegen des Gesundheitsamtes, den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und vielen mehr.“
Gesundheitsamt kann Kontakte wieder tagaktuell nachverfolgen
Die Zahl der täglichen Neuinfektionen im Altenburger Land liegt derzeit im einstelligen und niedrigen zweistelligen Bereich. Das versetzt das Team des Gesundheitsamtes
wieder in die Lage, alle Kontakte tagaktuell nachzuverfolgen, was bei Inzidenzen zwischen 200 und 600, wie sie noch vor einigen Wochen an der Tagesordnung waren, und bei teilweise bis zu 2.000 nachzuverfolgenden Kontaktpersonen pro Tag überhaupt nicht mehr möglich war. „Ich möchte an Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, appellieren und Sie darum bitten, die geltenden Regelungen auch weiterhin diszipliniert einzuhalten, um sich selbst und andere zu schützen. Eine 7-Tage-Inzidenz um den Wert 100 ist noch immer zu hoch und deshalb nichts anderes als ein kleines Etappenziel. Sehr froh bin ich darüber, das inzwischen in fast allen stationären Pflegeeinrichtungen im Landkreis zweimal geimpft wurde. Noch ist der Impfstoff knapp. Doch sobald der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen mehr Impfdosen zu Verfügung stehen, mehr Bürgern ein Impfangebot gemacht werden kann, wird auch das unseren Kampf gegen die Pandemie entscheidend unterstützen. Und die von der Bundesregierung zugesagten kostenlosen Schnelltests, die schnellstmöglich auch im Altenburger Land angeboten werden sollen, tragen sicher auch ein Stück dazu bei, das Infektionsgeschehen einzudämmen“, so Landrat Uwe Melzer weiter.
Amtsarzt: Dritte Welle zeichnet sich gerade ab
„Zwei Infektionswellen haben wir im ersten Jahr der Pandemie im Altenburger Land erlebt, eine dritte zeichnet sich gerade ab“, so Amtsarzt Professor Stefan Dhein. „Die erste Welle ab März 2020, getragen von den Reiserückkehrern aus den Winterurlaubsgebieten, konnte durch sehr frühzeitige lokale Maßnahmen im Landkreis gut eingegrenzt werden. Bei der zweiten Welle ab Herbst gestaltete sich dies wesentlich schwieriger, zumal einerseits viele Menschen der Einschränkungen müde waren, durch die mild verlaufene erste Welle die mögliche Dramatik vielen Bürgen nicht bewusst war und inzwischen auf politischer Ebene die Akzente anders gesetzt wurden – Grenzen, Kitas und Schulen mussten offenbleiben, Maßnahmen vor Ort wurden in einem wesentlichen Korridor von der Landesregierung vorgegeben. Die zweite Welle war ungleich härter als die erste und hat auch die Gesundheitseinrichtungen des Altenburger Landes zeitweise an ihre Grenzen gebracht“, resümiert Dhein weiter.
Exzellente Zusammenarbeit mit Klinikum und KV
Auf dem Weg durch das erste Jahr der Pandemie gab es zahlreiche Herausforderungen für das Gesundheitsamt. So musste ein Abstrich-Stützpunkt eingerichtet werden, zunächst am Gesundheitsamt als Drive-in, dann wegen steigender Zahlen in sehr kurzer Zeit einer am Klinikum Altenburger Land mit Anbindung an das Medizinische Zentrallabor Altenburg. „Hier war die Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus und der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen exzellent und sehr hilfreich“, schätzt Prof. Stefan Dhein ein. Parallel dazu wurden zwei Hotlines für die Bürgerinnen und Bürger aufgebaut.
Spitzenwert: 187 Neuinfektionen an nur einem Tag
„Nach einem eher ruhigen Sommer, den wir unter anderem nutzten, um die Einführung der Software SORMAS zur Kontaktnachverfolgung vorzubereiten und Mitarbeiter zu schulen, stiegen ab Oktober die Zahlen wieder an und im November baute sich dies zu einer zweiten Welle auf. Die täglichen Neuinfektionen stiegen im November auf Werte zwischen 20 und 40“, so der Amtsarzt. Um dies noch bearbeiten zu können wurde begonnen, das Personal aufzustocken, neues Personal z.B. aus der Bundesverwaltung zu rekrutieren und anzuleiten, Räumlichkeiten zu finden und IT-technisch an das Gesundheitsamt anzubinden. Schließlich wurde im November ein zweiter Abstrichpunkt im Hof des Gesundheitsamtes in Altenburg eingerichtet, damit es nicht zu langen Staus an der Zufahrt zum Abstrichpunkt am Klinikum Altenburger Land kommt. „Die Neuinfektionen erreichten mit 187 Fällen an einem einzigen Tag, dem 25.12.2020, den bisherigen Spitzenwert und damit eine 7-Tages Inzidenz von über 600“, blickt Dhein zurück. Um 187 Personen an einem Tag anzurufen und zu ermitteln, mit wem sie alles Kontakt hatten, mindestens 187 Quarantäneschreiben zu erstellen und dann noch die Kontaktpersonen anzurufen bedarf es zahlreicher Mitarbeiter. Das Personal wurde weiter aufgestockt bis auf rund 100 Kolleginnen und Kollegen in direkter Zuordnung zum Gesundheitsamt.
Solidarität und Menschlichkeit
„Was mir persönlich aus diesem Jahr besonders in Erinnerung bleiben wird, sind wunderbare Beispiele von unkomplizierter Hilfe, Solidarität und Menschlichkeit unter den Kollegen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung, Mitarbeitern in anderen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Pflegeheimen und soziale Diensten sowie Bürgern. Viele übernahmen ganz neue ungewohnte Aufgaben und entwickelten dabei ein enormes Engagement. Das sind für mich unvergessliche Erlebnisse. Ich hoffe darauf, dass nun die Impfungen schnell und zügig vorangehen, sich so viele Menschen wie irgend möglich impfen lassen und wir durch diesen Impfschutz endlich wieder in unser normales Leben zurückkehren können“, so Prof. Stefan Dhein.
Zahlen und Fakten aus dem Altenburger Land (1.3.2020 bis 1.3.2021)
Durch das Gesundheitsamt angeordnete PCR-Tests:
14.036
Menschen, die in Quarantäne gesetzt wurden:
12.839
Vom Gesundheitsamt ausgestellte Quarantänebescheide:
13.133 (inklusive Korrekturen und Quarantäneverlängerungen)
Durchschnittsalter der Infizierten:
53 Jahre
Klassifizierung der Infizierten in Altersgruppen:
0-6 Jahre: 133 Fälle
7-16 Jahre: 195 Fälle
17-29 Jahre: 460 Fälle
30-65 Jahre: 2580 Fälle
66-110 Jahre: 1405 Fälle
Aufteilung der Geschlechter der Infizierten:
Männer: 1979
Frauen: 2789
Divers: 0
Durchschnittsalter der Infizierten, die stationär behandelt werden mussten:
75 Jahre. Dabei war die jüngste Person vier Monate alt, die älteste Person 101 Jahre alt.
Durchschnittsalter der mit Covid-19 infizierten Verstorbenen:
83 Jahre. Dabei war die jüngste verstorbene Person 32 Jahre alt, die älteste verstorbene Person 101 Jahre alt.
Aktuelle STATSTIK (Stand: 09.03.2021)
Infizierte insgesamt: 4885 (+1)
Fälle 7 Tage: 100
Inzidenz: 111,9
Stationär: 8, davon 0 ITS
Verstorben: 209