Landrat fordert verbesserte Zugänglichkeit für Behelfsbahnsteig auf Altenburger Bahnhof
Altenburg. Landrat Uwe Melzer und die Kommunale Behindertenbeauftragte Dorit Bieber haben sich gestern (2. Juni 2022) in einem gemeinsamen Schreiben an den Regionalchef Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Deutschen Bahn AG Martin Walden gewandt und ihn aufgefordert, für den in den kommenden zwei Jahren nur über Treppen zu erreichenden Behelfsbahnsteig auf dem Altenburger Bahnhof eine barrierefreie Lösung herbeizuführen und die Zugänglichkeit zu verbessern.
Der Wortlaut des Briefes:
Sehr geehrter Herr Walden,
dass der Behelfsbahnsteig auf dem Altenburger Bahnhof für die kommenden zwei Jahre (!) nur über Treppen erreichbar sein wird, erfuhren wir aus der Presse. Es ist zwar nachvollziehbar, dass bei der anstehenden umfangreichen Baumaßnahme keine einfache und preisgünstige Lösung für den barrierefreien Zugang auf der Hand liegt – nicht nachvollziehbar ist dagegen, dass aus Sicht der Öffentlichkeit nicht einmal der Anschein des Versuchs einer Lösung dazu durch entsprechende Kommunikation mit Betroffenenverbänden und Behörden unternommen wurde. Das widerspricht Ihrem eigenen Programm der DB AG zur Barrierefreiheit, in dem es auf S. 49 heißt: „Bei den geplanten Baumaßnahmen setzt die DB Station&Service AG die gültigen Regelwerke und anerkannten Regeln der Technik zum barrierefreien Bauen um. Die Behindertenverbände vor Ort werden im Rahmen der Planung in die Abstimmungen zur konkreten Gestaltung eingebunden.“
Der Bundestag hat bereits im Jahr 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Die DIN 19050-3 (Barrierefreies Bauen im öffentlichen Verkehrs- und Freiraum) ist in Thüringen in die Liste der Technischen Baubestimmungen aufgenommen worden und hat damit Gesetzeskraft. Verwiesen wird außerdem auf § 2 Absatz 3 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung sowie sinngemäß § 5, 10 Abs. 5 ThürGIG („… öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind … barrierefrei zu gestalten.“)
Ausgehend davon müsste es eigentlich selbstverständlich sein, dass bei größeren Baumaßnahmen im öffentlichen Bereich, insbesondere wenn diese mit derart drastischen Einschnitten für mobilitätseingeschränkte Personen verbunden sind, die Kommunalen Behindertenbeauftragten und Vertreter von Betroffenenverbänden in die Planung der Maßnahmen einbezogen werden – nicht nur dann, wenn die Vergabe von Fördermitteln eine Einbeziehung unumgänglich macht.
Ein Bahnhof ist ein Tor zur Welt, nicht nur metaphorisch, sondern ganz praktisch. Altenburg (Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums) und sein Bahnhof bilden dieses Tor für eine von Überalterung geprägte Gegend. Doch nicht nur Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte mit Hilfsmitteln, auch Personen mit Kinderwagen, Fahrrädern oder großem Gepäck sind von der Nutzung des Schienenverkehrs für zwei Jahre ausgeschlossen.
Es ist ja nicht so, dass nur Erholungssuchende und Gelegenheitsfahrer, welche sich auf alternative Transportwege einstellen könnten, die Bahn nutzen. Was tun gehandicapte Pendler, Reisende auf dem Weg zum Flughafen Leipzig/Halle und zu medizinischen Einrichtungen der umliegenden Städte – wie soll diese Personengruppe mit Reisen umgehen, die sie nicht verschieben, umplanen oder einfach unterlassen kann? Wie kommt z. B. die 13jährige schwerstbehinderte Nadiya in ihrem Rollstuhl zu den regelmäßigen ambulanten und stationären Behandlungen im Leipziger Universitätsklinikum? Das ist nicht nur eine rhetorische, sondern eine ganz konkrete Frage, für deren Beantwortung wir um Lösungsvorschläge ersuchen. Bitte vergessen Sie angesichts konkreter Einzelschicksale aber nicht: die geplanten Einschränkungen treffen zwar besonders den vulnerableren Teil der Bevölkerung, potentiell aber jeden Bürger.
Wir fordern Sie daher auf, alles denkbar Mögliche zu tun, um diesen unhaltbaren Zustand zu vermeiden und Verbesserungen herbeizuführen! Bitte suchen Sie nach weniger einschränkenden Lösungen, und bitte beziehen Sie die von Ihren Planungen Betroffenen mit ein!
Wir danken Ihnen im Voraus für die künftige konstruktive Zusammenarbeit sowie konkrete Lösungsvorschläge und verbleiben
mit hoffnungsvollem Gruß
Uwe Melzer Dorit Bieber
Der Landrat Kommunale Behindertenbeauftragte